Geschichte des WNB - chronologisch und anekdotisch
Zur Geschichte unserer Schule etwas aufzuschreiben ist eine Arbeit, die mit einigen Fragen beginnt. Ganz besonders deshalb, weil die Anfänge bereits lange zurückliegen. Was möchten Leserinnen und Leser wissen? Was ist „angestaubt“ und möglicherweise überflüssig? Wofür kann Interesse geweckt werden? So vielfältig die Fragen, so mannigfaltig die Antworten. Letztlich können diese Fragen nur individuell erwidert werden. Wir haben unterschiedliche Blicke auf die Schule und bestimmt auch auf die Geschichte einer Schule. Was hier bedeutsam ist, kann dort möglicherweise „langweilig“ sein. Viele teilen die Einschätzung, dass Schulgeschichten lebendiger sind als Schulgeschichte. Dabei stellt sich natürlich gleich das Problem der Überlieferung. Je näher an der Gegenwart, desto anschaulicher die Schilderung. Fahrten im Rahmen von „Leonardo“ und „Erasmus“ in europäische Nachbarländer, die Entwicklung der technischen Ausstattung und der Ausbau der Werkstätten liegen näher als Grundsteinlegungen und Verwaltungsakte. Schulgeschichte ist chronologisch „von bis“, Schulgeschichten sind anekdotisch aus lebendiger Erinnerung. Zu kurz kommen soll weder das eine noch das andere. Dabei müssen Entscheidungen
getroffen werden über die Auswahl und über die Schwerpunkte. Außerdem werden Grenzen gesetzt durch das, worüber Informationen vorliegen oder eben nicht.
„Sonntagnachmittag von 1 - 4“
Zur Vorgeschichte des Wilhelm-Normann-Berufskollegs gehört die 1849 gegründete Handwerker-Lehrlingsschule. Unterricht erfolgt zur besten Zeit am „Sonntagnachmittag von 1 - 4“, wie es in einer Chronik heißt. In Folge von Streitigkeiten wird die Handwerkerschule neun Jahre später 1858 wieder geschlossen. Aussagen darüber, was Gegenstand des Streits ist, werden in der Chronik nicht gemacht. Nach Wiedereröffnung 1864 zahlen Schüler plötzlich ein monatliches Schulgeld in Höhe von „1 Silbergroschen und 3 Pfennigen“. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass Finanzierungsfragen beim Schließungsbeschluss eine Rolle gespielt haben könnten. 1871 ein erneuter Rückschlag. Nach Entfall einer verpflichtenden staatlichen Gesellen und Meisterprüfung gehen die Schülerzahlen deutlich zurück. Nur noch „6-10 Schüler finden sich zum Unterricht ein“, heißt es in der Chronik. Die Schule muss erneut schließen. Statistische und finanzielle Fragen entscheiden über Wohl und Wehe. Manches davon kommt uns heute bekannt vor. Herford bildet seit 1816 einen eigenen Landkreis; im Jahr 1832 werden Bünde und Herford zu einem Kreis zusammengeschlossen. Westfalen ist eine Königlich Preußische Provinz mit dem Macht- und Verwaltungszentrum Minden. Geprägt werden diese Jahre und Jahrzehnte in Preußen durch die Revolution 1848, das Scheitern des Umsturzversuchs 1849, einen Thronwechsel 1858 und die Gründung des
ersten vereinigten Deutschlands 1871.
Gründung am 15. November 1878
1877 wird von städtischen Behörden beschlossen, eine verpflichtende Fortbildungsschule einzurichten. Daraufhin erfolgt am 15. November 1878 in Herford die feierliche Eröffnung der Städtischen Gewerblichen Fortbildungsschule. Zwei Klassen gibt es, die Unterrichtszeit beträgt pro Woche je neun Stunden. Zugelassen werden nur männliche Handwerkslehrlinge.
Der 15. November 1878 gilt als das Gründungsdatum des berufsbildenden Schulwesens in Herford; nicht zufällig ist dieses Datum der Bezugspunkt bei Jubiläumsfeiern zum 25.
und zum 100. Geburtstag unserer Schule. Am Sonntag, dem 29. November 1903 wird im Schützenhof „ab 4 Uhr nachmittags“ das 25jährige Bestehen mit Liedervorträgen,
Ansprachen und „lebenden Bildern“ der Schüler gefeiert. 1978 blickt man im Kreis auf 100 Jahre berufliche Schulen in Herford zurück. Bezugspunkt ist erneut der 15. November 1878. Dieses Datum 1978 wird uns später ausführlicher beschäftigen.
Die „Fortbildungsschule für Ungelernte“ wird 1906 mit vier Klassen angeschlossen; kaufmännische Lehrlinge besuchen die Handelslehranstalt des kaufmännischen Vereins.
1920 - Deutschland ist inzwischen eine Republik mit demokratischer Verfassung - entfällt der Name Fortbildungsschule, ab sofort wird von Berufsschulen gesprochen. Eine
Berufsschulpflicht für Mädchen wird eingeführt. Zeitlich fällt das zusammen mit der Einführung des Wahlrechts für Frauen. „Hausgehilfinnen“ werden von der Berufsschulpflicht noch bis 1937 ausgenommen.
Weimarer Republik
Hinsichtlich der personellen und der räumlichen Situation gibt es in den Zwanziger Jahren deutliche Fortschritte. Außerdem steigen die Schülerzahlen von Jahr zu Jahr. Dazu an
dieser Stelle ein paar Informationen im Einzelnen. Erste Schritte werden unternommen, um von nebenamtlichen zu hauptamtlichen Lehrkräften zu kommen. Im Mittelpunkt des Unterrichts steht nunmehr nicht eine allgemeine Fortbildung der Schülerinnen und Schüler, sondern der zu erlernende Beruf. Gewerbelehrer unterrichten mit den entsprechenden Schwerpunkten an den jetzt auch so genannten Berufsschulen.
Der erste seiner Art ist seit dem 1. April 1926 der aus der Praxis hervorgegangene Gewerbeoberlehrer Wilhelm Kleineberg. Seine Ausbildung hatte er am
Berufspädagogischen Institut Berlin erfahren. Er unterrichtet das Malerhandwerk. Die 1927 ausgeschriebene Stelle für Hauswirtschaft bezieht die Gewerbeoberlehrerin Elli
Heinrich. Für das Metallgewerbe ist Gewerbeoberlehrer Otto Schmidt zuständig. Durch das Heranziehen von hauptamtlichen Lehrkräften, die sowohl eine fachpraktische als
auch pädagogische Ausbildung erhalten, kann moderner Fachunterricht erteilt werden. In den Jahren der Weimarer Republik geht die Schülerzahl wie schon erwähnt nach oben.
1926 besuchen 1243 Schüler die Schule, davon 805 Jungen und 438 Mädchen. Es ist einfach nachzuvollziehen, dass angesichts dieser Entwicklung die Raumnot für eine
Schule immer größer wird, die zu diesem Zeitpunkt nach wie vor über kein eigenes Gebäude verfügt. An mehreren Stellen wird unterrichtet: das Gebäude Unter den Linden
wird gemeinsam mit der Städtischen Kaufmännischen Berufsschule genutzt, weitere Unterrichtsräume liegen im Nebengebäude der Schule am Wilhelmsplatz. Ein eigenes
Gebäude kann erstmals 1930 in der Abteistraße 1 bezogen werden. Daneben bleiben einzelne Klassenräume in anderen Schulgebäuden erhalten.
1937 allgemeine Berufsschulpflicht im Kreis Herford
Bleibt das berufsbildende Schulwesen bis 1937 den Gemeinden überlassen, so wird zum 1. April 1937 eine Reform wirksam, die dazu führt, dass die berufsbildenden Schulen
beim Kreis Herford angesiedelt werden und nicht mehr bei der Stadt Bünde bzw. den Ämtern Enger, Gohfeld oder Vlotho. Wirksam wird damit auch die allgemeine
Berufsschulpflicht für das Gebiet des Landkreises Herford. Vereinheitlichungen und Neugliederungen des berufsbildenden Schulwesens insgesamt führen dazu, dass
zwischen drei Haupttypen unterschieden wird:
1. Berufsschulen als elementare Pflichtschulen für alle in praktischer Ausbildung oder Arbeit befindlichen Mädchen und Jungen bis zum 18. Lebensjahr.
2. Berufsfachschulen, die über mindestens ein Schuljahr ganztägigen Unterricht anbieten, der auf einen handwerklichen, kaufmännischen oder hauswirtschaftlichen
Beruf vorbereitet.
3. Fachschulen, die freiwillig und mit ausreichender praktischer Berufsvorbildung besucht werden können.
Über die unmittelbaren Auswirkungen der Diktatur, der ideologischen Ausrichtung des Nationalsozialismus auf das schulische Leben und den Beginn des Krieges werden in den
zur Verfügung stehenden Quellen und Darstellungen keine Aussagen gemacht. Wenn von allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen die Rede ist, dann stehen Fragen von
Verwaltung und Zuständigkeiten im Vordergrund, wird auf Schülerzahlen geschaut und festgestellt, dass die Raumsituation nicht zufriedenstellend ist.
Die Anfang April 1937 ins Leben gerufene Kreisberufsschule des Landkreises Herford setzt sich zusammen aus einer gewerblichen, einer hauswirtschaftlichen, einer
kaufmännischen und einer landwirtschaftlichen Abteilung, zu der später noch die bis dahin selbständigen Gärtnerfachklassen kommen.
Einer einheitlichen Leitung unterstehen diese Schulzweige nur vorübergehend und zwar erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den Jahren ab 1948 bis 1955.
Nimmt man alle Abteilungen der Kreisberufsschule zusammen, dann gibt es zu diesem Zeitpunkt 155 Fachklassen, die an einem Ort nicht unterzubringen sind. Das wäre weder
möglich noch zweckmäßig gewesen. So werden die Schulorte Bünde, Enger, Herford, Löhne und Vlotho beibehalten.
Nach 1945
Durch Mangel, vor allem durch Schulraumnot sind die ersten Jahre des Schulwesens nach 1945 gekennzeichnet. Das 1930 bezogene Schulgebäude in der Abteistraße 1 hatte
den Krieg überstanden, andere Schulnebengebäude waren nahezu vollständig zerstört worden. Die Turnhalle am Gebäude Abteistraße wird umgebaut, damit neue Fach- und
Klassenräume entstehen können. Im Oktober 1956 kann endlich ein dringend benötigter Erweiterungsneubau am alten Schulgebäude in der Abteistraße bezogen werden. Bis zur
Aufnahme des Unterrichts im neuen Schulgebäude am heutigen Standort in der Hermannstraße sollten aber noch einige Jahre vergehen.
Neben den baulichen Maßnahmen wird das schulische Angebot in diesen Jahren vielfältiger und ausdifferenzierter. Weitere Schulformen und Schultypen werden
eingerichtet, so auch die Fachschule für Techniker. Träger der berufsbildenden Schulen ist bis zur Kreisreform vom Januar 1969 die Stadt Herford, danach gehen die Schulen in die Trägerschaft des neugegliederten Landkreises Herford.
Die akute räumliche Notsituation der ersten Jahre nach 1945 ist inzwischen überwunden, den pädagogischen und technischen Bedürfnissen einer modernen Berufsschule
entspricht das Gebäude in der Abteistraße 1 aber nicht mehr. Das Schulgebäude wird als schlecht und sehr beengt wahrgenommen.
Sechziger und siebziger Jahre
Eine Zeit, die geprägt ist durch eine sich verändernde Jugendkultur, politische Unruhe und kulturellen Wandel. Damit gewinnen die Schulen, gewinnt das Bildungswesen
insgesamt an Bedeutung. Und es gibt öffentliche Stimmen, die die Unzufriedenheit mit dem Bildungssystem so wie es in der Bundesrepublik Deutschland zu dieser Zeit ist, zu
Gehör bringen. Der Philosoph und Theologe Georg Picht hatte 1964 von einer „Bildungskatastrophe“ gesprochen, der Soziologe Ralf Dahrendorf 1965 „Bildung ist
Bürgerrecht“ gefordert. Durch zu geringe Bildung schien die Demokratie gefährdet zu sein; gleichzeitig sollte mit individuellen Bildungsanstrengungen ein gesellschaftliches
Versprechen einhergehen: Aufstieg durch Bildung. Ein Echo hervorrufen konnten die Diskussionen und Kontroversen um Bildung und Schule
auf mehreren Ebenen. Zum einen personell: Bildungsberufe wurden immer beliebter, Lehrerin oder Lehrer zu werden galt für einige Zeit ab den späten sechziger Jahren als
besonders „angesagt“; das gesellschaftliche Ansehen dieses Berufs befand sich in dieser Zeit auf einem „Allzeithoch“. Zum anderen baulich: In Herford, in NRW und darüberhinaus
werden zahlreiche Schulen errichtet. Bauten, die sich durch eine funktionalistische Architektur mit großen, offenen Räumen auszeichnen und Transparenz betonen.
Einen Neubau für die „Gewerblichen Berufs-, Fach- und Fachoberschulen des Kreises“ hatte Herford bereits in der Mitte der sechziger Jahre beschlossen. Als Baugrundstück
waren die der Stadt gehörenden Aawiesen vorgesehen. Da „Gut Ding Weile haben will“, vergehen weitere Jahre bis zum Architektenwettbewerb und „ersten Spatenstich“ mit
einer Planierraupe im Sommer 1972. In diesem Jahr erhält die Schule den Namen Wilhelm-Normann-Schule. Die Witwe des 1939 verstorbenen Erfinders hatte ihre Zustimmung gegeben.
Die Kreissparkasse als Besitzer der Immobilie in der Abteistraße drängte auf Räumung der Schule, sodass der Umzug in das Gebäude in den Aawiesen im November 1975
erfolgte. Der Neubau war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht ganz fertiggestellt. Eingeweiht wurde das Berufsschulzentrum am 26. März 1976 durch NRW-Kultusminister
Girgensohn, Regierungspräsident Graumann und den Sohn des Namensgebers der Schule, der wie sein Vater Dr. Wilhelm Normann heißt.
Schülerzahlen und Bildungsgänge
Im Schuljahr 1974/75, also in dem Jahr, in dem der Umzug von der Abteistraße in das Gebäude in den Aawiesen über die Bühne geht, verzeichnet die Statistik 1834 Schülerinnen und Schüler in 78 Teilzeit- und sechs Vollzeitklassen. Die Zahl der Besucher der Wilhelm-Normann-Schule war damit über die vergangenen fünf Jahre ebenso gewachsen wie die Zahl der Klassen. Und der Trend hielt an. Bis zum Ende des Jahrzehnts konnten 2541 Schülerinnen und Schüler in 95 Teilzeit- und 17 Vollzeitklassen in der Statistik geführt werden.
Dies ist umso bemerkenswerter vor dem Hintergrund, dass die Schulpolitik in NRW in den siebziger Jahren Anstrengungen vorrangig zum Ausbau des allgemeinbildenden
Schulsystems und der Hochschulen unternommen hatte. Auch wenn berufliche Bildung dabei etwas in den Hintergrund getreten war, konnte die Bildungsidee im beruflichen
Umfeld Erfolge erzielen, wenn sie denn mit einem Versprechen auf Erfolg und gesellschaftlichen Aufstieg zu verbinden war.
Gewerbliche Schulen gab es mit den Abteilungen Bau und Holz, Gestaltung, Verkehrsberufe und Nahrung; Vollzeitschulen mit Angeboten als Fachoberschule,
Fachschule für Technik, Berufsfachschule für Technik, Berufsgrundschule und Berufsvorbereitungsjahr. Zu den Landwirtschaftlichen Schulen gehörten die Bereiche
Gartenbau und Landwirtschaft.
Auffällig ist die wachsende Zahl von Bezirksfachklassen über die Kreise Herford und das benachbarte Minden-Lübbecke hinaus. Auch Schülerinnen und Schüler aus Gütersloh,
Lippe/Lemgo und Bielefeld besuchen die Wilhelm-Normann-Schule. Neben Politik und Gesellschaft sind verändertes Mobilitäts- und
Kommunikationsverhalten wichtige Treiber für Veränderungen. Wie hier zu sehen ist, bedingen sich eine gesteigerte räumliche Flexibilität der Schülerschaft und die
Erweiterung des Einzugsbereichs der Schule. Verändertes Verhalten im öffentlichen Raum deutet sich ebenso an: beim „Schüleraktionsfernsehen“ wird in der Schule mit Kamera
und Mikrofon gearbeitet, während des Bundestagswahlkampfes 1976 öffnet sich das Schulgebäude für eine Wahlinformationsveranstaltung mit plakativer Parteienwerbung.
Abschied von „Bandwurmnamen“
Mit der Neuordnung des Berufsschulwesens auf Kreisebene und der Planung von Neubauvorhaben ging die Verabschiedung von „Bandwurmbezeichnungen“ einher. Aus
„Gewerblichen Berufs-, Fach- und Oberschulen des Kreises Herford“ wird jetzt die Wilhelm-Normann-Schule. Der Name Anna-Siemsen-Schule ersetzt - um ein zweites
Beispiel zu erläutern - „Allgemein-Gewerbliche, Hauswirtschaftliche und Sozialpflegerische Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen des Kreises Herford“. Der Name
Friedrich List war eingeführt, August Griese und Erich Gutenberg kommen hinzu. Die Kommunikation dürfte für alle Beteiligten damit einfacher geworden sein.
Wer war Wilhelm Normann?
Viele Berufskollegs tragen Namen von Persönlichkeiten, die durch praktische, technische, naturwissenschaftliche oder ingenieurwissenschaftliche Leistungen hervorgetreten sind
und für die Allgemeinheit etwas Bedeutendes geschaffen haben. Dazu gehört auch Wilhelm Normann. Im 19. Jahrhundert geboren war die stabile Nahrungsversorgung der Bevölkerung für ihn wie für seine Zeitgenossen alles andere als selbstverständlich. Von Haus aus Chemiker hat er sich vor allem als Erfinder an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einen Namen gemacht. In der Herforder Fabrik seines Onkels Wilhelm Siveke gelang ihm 1901 die Erfindung der Öl- und Fetthärtung. Seitdem können pflanzliche Fette für die Margarineherstellung verwendet werden. Das war zu dieser und sollte noch für lange Zeit ein wesentlicher Beitrag zur Sicherstellung der Ernährungssituation erheblicher Teile der Bevölkerung bleiben. Für die Weltbevölkerung ist es das bis heute. 1978 wurde die Gedenkmünze „Dr. Wilhelm Normann“ geprägt, die von einem heimischen
Bildhauer geschaffene Büste steht seit Februar 2001 in der Pausenhalle. In diesem Monat hatte es eine Festwoche gegeben, mit der an seine Arbeiten vor 100 Jahren
erinnert werden sollte.
Zur Vorbereitung war die Schule in eine umfangreiche Korrespondenz mit dem Sohn des Erfinders getreten, ebenfalls Dr. Wilhelm Normann. Ein Bielefelder Historiker erarbeitete
und veröffentlichte in dieser Zeit eine umfangreichere Darstellung zur Person und zu ihren Leistungen. Die Nutzung seines Namens zur Identifizierung mit Schule und ihrem
öffentlichen Raum ist und bleibt eine herausfordernde Aufgabe. Sein Grab befindet sich auf dem alten Friedhof in unmittelbarer Nachbarschaft unserer Schule. Nicht weit entfernt
von der letzten Ruhestätte Frieda Nadigs, einer der vier Mütter des Grundgesetzes, deren Lebensweg ebenso mit der Stadt Herford verbunden gewesen ist.
Erscheinungsbild „old school“, aber aktuelle Fragen
Das Jahr 1978 war für die beruflichen Schulen im Kreis Herford und damit auch für die Wilhelm-Normann-Schule von besonderer Bedeutung: es wurde das 100jährige Bestehen
gefeiert. Auffällig ist, dass die Schule zu diesem Zeitpunkt - nach immerhin einem Jahrhundert - im Wesentlichen die Gestalt und Form annimmt, die sie bis heute hat. Das gilt für den
zentralen Standort an der Hermannstraße beziehungsweise in den Aawiesen, den Namen der Schule und in etwa die Schülerzahlen und Bildungsgänge (siehe entsprechenden
Textabschnitt). Das Kollegium zählt einschließlich der der Schule zugewiesenen Referendare 65 Lehrerinnen und Lehrer. Zwei Mitarbeiterinnen, Ingrid Güse und Heidi
Schie, arbeiten als Verwaltungsangestellte, Hausmeister ist Uwe Schütt. Als Sozialarbeiter ist Hubert Hohlfeld sowohl für unsere Schule wie für die Anna-Siemsen-Schule zuständig.
In einer entsprechenden Liste werden fünfzehn Pensionäre genannt (Stand: 1. Oktober 1978).
Ein Film von der Festveranstaltung in schwarz und weiß wirkt heute wie ein Beitrag aus der Reihe „Als die Bilder laufen lernten“. Mit anderen Worten „sehr angestaubt“.
Besonders für Schülerinnen und Schüler am Ende der gesellschaftskritischen siebziger Jahre dürfte es schwierig gewesen sein, sich in Form, Selbstdarstellung und Habitus zu
erkennen. Eine Identifizierung mit schulischem Leben ist so nur schwer zu ermöglichen. Modern und aktuell dagegen die Fragen, die im Umfeld des Jubiläums erörtert werden.
Was soll die Schule für den Einzelnen wie für die Gesellschaft leisten? Wie können Schülerinnen und Schüler ermutigt werden, in ihren persönlichen Bildungsstand zu
investieren? Was genießt Priorität, die Entfaltung der Persönlichkeit oder der Bedarf des Beschäftigungssystems?
Unterschiedliche Sichtweisen werden veröffentlicht: Kultusministerium NRW und Stadt Herford, Industrie- und Handelskammer sowie Handwerkskammer, christliche Kirchen,
Landwirtschaftskammer, DGB und Arbeitgeberverband. Im Hintergrund wirkten dabei eine Verlangsamung des Wirtschaftswachtums, Fachkräftemangel auf der einen Seite und
unbesetzte Ausbildungsstellen auf der anderen.
Zugänge zum Beruf sollen chancengleich vergeben werden, so NRW-Kultusminister Jürgen Girgensohn in seinem Grußwort. Die berufliche Bildung sei eine attraktive
Alternative zum Studium. Viele Jugendliche entscheiden sich, so der Minister, aus eigener Einsicht für diesen Weg. Von heute aus betrachtet war das eine sehr optimistische
Einschätzung. Weiterhin wurde vor allem in die allgemeinbildenden Schulen und in die Universitäten investiert.
Die Problemlagen des Jahres 1978 sind zum Teil die Probleme unserer Zeit. Der Fachkräftemangel der Gegenwart ergibt sich aus schulpolitischen Entscheidungen der
Vergangenheit und der in Teilen der Gesellschaft anzutreffenden Überschätzung akademischer Bildungs- und Berufswege. Der Erkenntnis, dass berufliche Bildung zum
individuellen Glück verhelfen kann und für Öffentlichkeit und Gesellschaft unabdingbar ist, muss immer wieder neu zum Durchbruch verholfen werden. 1978 ebenso wie 2025.
„Tränen lügen nicht“
Was behalten Schülerinnen und Schüler nach Beendigung ihrer Schulzeit in lebendiger Erinnerung? In aller Regel sind es die Stunden und Tage, die außerhalb des
Schulgebäudes verbracht werden während der Klassen- und Austauschfahrten im Rahmen von zunächst Leonardo, dann Erasmus. Die ersten Austausche gehen bis in die achtziger Jahre zurück. Angesteuert werden europäische Ziele im Norden (Dänemark, Finnland, Norwegen), Süden (Spanien, Österreich) und Westen (Frankreich, Schottland). Nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ 1989/90 kann in den neunziger Jahren im Rahmen von Klassenfahrten auch Polen besucht werden. So findet eine Fahrt nach Pabianice statt, eine Kreisstadt, die sich eine halbe Autostunde von Lodz entfernt befindet. Ebenso werden Prag und Theresienstadt besucht. Impuls für diese Fahrten ist zum erheblichen Teil die NS-Vergangenheit
Deutschlands und die Bemühung, auf lokaler Ebene Aufarbeitung zu leisten. Es folgten in den 2000er Jahren Fahrten in die Türkei, nach Tschechien und Italien, nach
Großbritannien und nach Griechenland. Einige Ziele werden immer wieder und bis heute besucht. So fährt eine Gruppe von Tischlern nach Dänemark. Versichert wird, dass es den Schülerinnen und Schülern so gut gefällt, dass sie dort bleiben möchten. Im Rahmen eines Holzprojektes ist auch Hjorring besucht worden, eine Stunde Fahrt entfernt von Skagen, der nördlichsten Stadt Dänemarks. Zu einer beliebten Tradition geworden sind regelmäßige allgemeine Austauschfahrten mit der französischen Partnerstadt Voiron.
Völkerverständigung entsteht aus persönlichen Begegnungen und Freundschaften. Das klingt pathetisch, der Satz bleibt aber richtig. Selten einmal werden so viele
Freudentränen vergossen wie während dieser Fahrten. Und wenn die Tage in der Partnerstadt zu Ende gehen, bleibt immer etwas Traurigkeit darüber zurück, dass die
Fahrt schon wieder beendet ist. Freundschaften und enge persönliche Verbindungen sind aus vielen Begegnungen hervorgegangen. Warum ist Erasmus so beliebt? Natürlich ist es
eine Gelegenheit, für ein kleines Geld europäische Länder auf privatester Ebene kennenlernen zu können. Am Ende bleibt der entscheidende Impuls, in Gemeinschaft
„neue Welten“ zu erkunden und Erfahrungen im persönlichen Umgang zu machen, die lange Zeit fortwirken.
Verändert hat sich das Mobilitätsverhalten. Anreise mit der Bahn, mit privaten Autos, mit dem Flugzeug? Alle drei Möglichkeiten werden genutzt. In die Abwägung bei der
Entscheidung welches Verkehrsmittel genutzt wird, spielen praktische, finanzielle und klimapolitische Fragen hinein. Bei jeder Fahrt neu und bei jeder Fahrt anders.
Im Mittelpunkt des Aufenthalts standen in den vergangenen fünfzehn Jahren immer häufiger Projekte mit mehreren Partnerschulen, an denen vor Ort in Badajoz (Spanien),
Casalpusterlengo (Italien), Albi (Frankreich), Vinkovici (Kroatien) und Herford gearbeitet wurde. Beispielhaft etwa 2019/20 „Think Global Support Local“ und 2016/18 „OSKARRR“
(Our students keep active about Reducing, Recycling, Reusing). Alte Jeans sind hier zu Kunst- und Alltagsgegenständen verarbeitet worden. Bereits 2013/15 gab es das
StreetArtProject „Art2click“, 2012 war mit „Film/Video/Media“ gearbeitet worden.
„Frischer Wind“
„Innovatives Lernen im 21. Jahrhundert“ war die Headline, die Anna-Siemsen-, Friedrich-List- und Wilhelm-Normann-Berufskolleg im Winter 1999/2000 gewählt hatten, um sich
der Öffentlichkeit mit ihren jeweiligen Schwerpunkten am 1. Februar 2000 vorzustellen. Eine neue Verordnung über Ausbildung und Prüfung in den Bildungsgängen des
Berufskollegs (APO-BK) war im Mai 1999 in Kraft getreten. Daten für die erste PISAStudie sollten im Laufe des Jahres 2000 erhoben und im Jahre 2001 veröffentlicht
werden: unter der Bezeichnung „PISA-Schock“ begann somit die unrühmliche Karriere eines Begriffs, der Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft bis heute ein unermüdlicher
Begleiter ist.
Das Programm am 1. Februar 2000 umfasste - offensichtlich um Modernität bemüht - Auftritte der „Bad Girls“, Darbietungen der „Jazztanzgruppe IV“ des TuS Lockhausen mit
einigen Schülerinnen und Schülern sowie einen „Balanceakt“ einiger Kolleginnen und Kollegen unserer Schule mit der deutschen Nationalmannschaft im Kunstradfahren. Das
Programm der Jazztanzgruppe hieß „Frischer Wind“. Ein einstündiges Podium im Kreishaus schloss den Tag ab mit der Diskussion kontroverser Standpunkte zum Thema „Anforderungen an die berufliche Bildung des 21. Jahrhunderts“. Neben dem Kultusministerium, der Bezirksregierung Detmold und der Universität Bielefeld saßen auf dem Podium Vertreter zweier Unternehmen aus der Region, die in den folgenden Jahren bildungspolitisch deutliche Akzente setzen wollten und sollten: regional die Firma Hettich, national und international die „Bertelsmann Stiftung“. Arbeitsergebnisse von in Gütersloh erarbeiteten Studien zu schul- und bildungspolitischen Studien schafften es regelmäßig in die Hauptnachrichten. Das dürftige Abschneiden Deutschlands im internationalen PISA-Vergleich war der Resonanzboden für den Erfolg der ostwestfälischen Stiftung in bildungspolitischen Fragen mit ihren Forderungen nach mehr Teamgeist in der Schule, mehr Unterrichtsentwicklung und mehr Digitalisierung.
Das Wilhelm-Normann-Berufskolleg präsentierte am 1. Februar 2000 der Öffentlichkeit fünf Projekte aus den verschiedenen Bildungsgängen:
- Konkrete Lernsituationen im Berufsfeld Holztechnik, Projekt „Vitrine“ (Grannemann, Graskemper, Koch, Moecke, Putschies)
- „Schaufenstergestaltung Fasching 2000“ - neue Unterrichtsformen für Verkäuferinnen und Verkäufer im Nahrungsmittelgewerbe unter Absprache von Betrieben und
Berufskolleg (De Groot, K. H. Meier, Wittland)
- Neue Technologien im berufsübergreifenden Lernbereich: Modellversuch „Virtuelle Schule Herford“ und EU-Comenius-Projekt „Europäische Migration, Minderheiten und
Vorurteile“ (Aufderheide, De Groot, Pingel-Rollmann)
- Umsetzung der neuen Lehrpläne im Berufsfeld Agrar: Projekte „Wachstumsfaktoren“ und „Umweltschonende Produktionen der Baumschule und im Friedhofsgartenbau“ (Köller-Spinger, Oehlschlägel, Ney, Pfisterer, Sudahl)
- Im Projekt „Minilex“ kooperierten die Abteilung Bautechnik und die Fachschule für Bautechnik. Ziel des Projektes war es, eine zugleich präzise wie verbindliche Begrifflichkeit für den beruflichen Alltag herauszuarbeiten und in die Ausbildung zu integrieren. (Kolwes, Mühlenhoff, Ratzke, Krause, N. Meier, Schiefer).
Das Wilhelm-Normann-Berufskolleg zeigte im Februar 2000, in welcher Weise es auf „Innovatives Lernen im 21. Jahrhundert“ vorbereitet war: Einübung einer adäquaten
bildungsgangbezogenen Sprache, Modellversuche in neuen Technologien, enge Absprache zwischen Betrieb und Schule, konkrete Lernsituationen, Bewusstsein schaffen
für umweltschonende Produktionen.
„Der Chef möchte dich sprechen“
Nachhaltig geprägt wurde der schulische Alltag durch ein sich permanent veränderndes Kommunikationsverhalten. Die Anrufe in der Verwaltung für die Kollegin X und den
Kollegen Y gibt es nach wie vor. Sie sind aber seltener geworden. Ebenso existiert weiterhin das in den Fächern vorzufindende Stück Papier. Aber auch hier: tendenziell
befindet es sich auf dem Rückzug. Geprägt wird die schulische Kommunikation durch digitale Zugänge wie „teams“, „webuntis“, dienstlichen E-Mail-Account, inoffizielle
„whatsapp-Gruppen“, Klassengruppen, Gruppen für Fahrten und zeitliche begrenzte Vorhaben. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen.
Ganz selbstverständlich verschwunden ist inzwischen das hellgrüne Klassenbuch, das so etwas wie ein optisches Signal gesetzt hatte für „Achtung, neues Schuljahr“. Nach kurzer
Zeit wiesen diese Bücher Gebrauchsspuren auf: teils leserliche, teils unleserliche Eintragungen als Ausdruck wohlmeinender pädagogischer Anstrengungen, selten und
peinlicherweise Flecken von Tee und Kaffee, stets und ausnahmslos knittrige Seiten. Löschpapier für Tinte? In aller Regel ausgegangen. Das eine oder andere Buch soll beim
Tauchgang in der Aa verschwunden sein. Schön, wenn es dafür Augenzeugen gab. Unter dieses Kapitel ist am Wilhelm-Normann-Berufskolleg inzwischen ein Schlussstrich
gezogen worden. Klassenbücher sind digital, die Lösung für Stundenpläne wie für unterrichtsbezogene Eintragungen heißt „webuntis“. Klassenbücher sind inzwischen
unsichtbar. Unsichtbar wie das Virus mit dem Namen Corona, das unsere Schule wie andere auch ab Februar 2020 in den Ausnahmezustand versetzt hatte. Wahrscheinlich hat
nichts so sehr digitalen Lösungen in der Schule dauerhaft zum Durchbruch verholfen wie die Pandemie zu Beginn des neuen Jahrzehnts. Corona offenbarte Defizite wie unter einer
Lupe, gleichzeitig wurden neue Lösungen möglich. Die Videokonferenz eroberte einen Stammplatz im alltäglichen pädagogischen Wortschatz.
Also alles digital? Weit gefehlt. In der Kommunikation mit der Bezirksregierung und dem Landesamt für Besoldung und Versorgung wirkt fort, was der österreichische Schriftsteller
Robert Musil vor mehr als 100 Jahren „die Papier gewordene Hand der Bürokratie“ genannt hat: Formulare, Formulare, Formulare. Zugegebenermaßen werden sie weniger
und verständlicher. Verbürgt ist aber die folgende Anekdote: um einen Vorgang (nach etlichen Wochen) zu beschleunigen, ist ein Kollege gebeten worden, ein Papier an eine
bestimmte Fax-Nummer zu senden, damit es von dort, wie der Sachbearbeiter versicherte, an den „richtigen Schreibtisch“ gebracht werden könne. Der Vorgang ist dann
„zeitnah“ und erfolgreich abgeschlossen worden.
Farbe in den Alltag bringt eine im Verwaltungstrakt rechts neben der Tür zum Raum des Schulleiters positionierte Magnettafel. Frisches Gelb, tiefes Blau, sattes Rot senden
unmissverständliche optische Signale, die Einfluss haben auf die Schrittfolge von Kolleginnen und Kollegen, sobald sie den Verwaltungstrakt betreten haben. Gelb lenkt die
Wege in Richtung Sekretariat, blau signalisiert, dass die stellvertretende Schulleiterin etwas abstimmen möchte, rot bedeutet unmissverständlich: „Der Chef möchte dich
sprechen“. Analoge Kommunikation, die reibungslos funktioniert.
„Lecker soll es auch sein“
Begrüntes Flachdach, Photovoltaikanlage, Dreifach-Wärmeschutzverglasung in den Fenstern: eine klima- und umweltfreundliche Bauweise wurde bei der Fertigstellung des
neues Mensa-Gebäudes großgeschrieben. Offizielle Eröffnung im April 2024, der Betrieb in der Küche und im Verkauf war aber schon wenige Wochen zuvor aufgenommen
worden. Die Cafeteria-Bereiche der drei Schulen am Standort in den Aawiesen hatten sich schon längere Zeit als unzureichend erwiesen.
Bereits 1972 hatte eine Mensaplanung für den heutigen Standort existiert, die in einem Modell zu sehen ist. Damals ist es bei der Idee geblieben, 50 Jahre später hat die Mensa
auf der damals vorgesehenen Fläche räumliche Gestalt angenommen.
Aktuelle Planungen für den Bau gehen in die Zehnerjahre zurück, Anfang 2022 begannen die Bauarbeiten. Das in der ersten Etage mehrere Klassenräume umfassende Gebäude ist
umgeben von einer hochdämmenden Holzfassade, die einen angenehmen Kontrast bietet zur Betonarchitektur der siebziger Jahre.
Der LKS-Kantinenservice (Lippischer Kombi-Service) beschäftigt Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen. Auf dem Speiseplan stehen regionale und nachhaltige Produkte.
„Und lecker soll es auch sein“, wie Landrat Jürgen Müller bei der Eröffnung versicherte.
Die vier „großen I’s“
Ein Ereignis wie die Eröffnung der neuen Mensa im Schulzentrum lässt sich datieren und mit der Beantwortung der W-Fragen ist das Wesentliche erst einmal gesagt. Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet zum Teil die Nachfrage. Schwieriger zu beantworten und darzustellen sind Fragen und Themen, die von der Politik und aus der Gesellschaft an Schulen herangetragen werden wie individuelle Förderung, Inklusion, Integration, Implementierung kompetenzorientierter Lehrpläne und als „Catch-All“ Digitalisierung. Keine Ereignisse, sondern Prozesse. Auf allen liegt Zeitdruck, Landespolitik und Bezirksregierungen möchten Erfolge sehen und bekanntgeben. Manches erweist sich eher als Teil des Problems und weniger als Teil der Lösung. Seit etwa 20 Jahren sind diejenigen, die professionell mit Bildung, Unterricht und Erziehung befasst sind, mittendrin in einem Prozess, der Schule, Arbeitswelt und Gesellschaft dauerhaft verändert. Ein Prozess, der ebenso zu mehr Effizienz in der Gewinnung von Information für den Unterricht und im Unterricht führte wie er die
Verwaltung von Schülerdaten optimierte durch Zugriff auf den Schulserver im Wilhelm-Normann-Berufskolleg und auch von zuhause aus. Aus Mitteln des Digitalpaktes konnten
450 iPads gekauft werden. Alle AV-Schüler verfügen über ein Exemplar. Ebenso ist ein erheblicher Teil der AHR-Schülerinnen und Schüler mit Tablets ausgestattet worden.
Der Anfang für alles das, was wir Digitalisierung nennen, reicht nicht Jahre zurück, sondern Jahrzehnte. Zu Beginn der neunziger Jahre wurden die ersten Computer in unserer Schule installiert. Der Durchbruch des Internets in Deutschland wird gemeinhin auf 1995 datiert. Die Arbeitsgruppe „Berufskollegs am Netz“ gründete sich im Kreis Herford im Jahr 2000. Im Februar 2010 wurde zurückgeschaut auf zehn Jahre intensiver Beschäftigung mit dem Thema „Lernen mit Neuen Medien“. Stolz wurde bilanziert, dass es in einer konzertierten Aktion von Berufskollegs, Verwaltung und Politik gelungen war, die Weichen richtig zu stellen für das Lehren und Lernen mit Neuen Medien im 21. Jahrhundert. Die tragenden Säulen des Konzepts waren „Eigenverantwortliches Lernen“ und „Lernen mit neuen Medien“. Nach dem sich 2000 im Umfeld des PISA-Schocks abzeichnenden Problemstau wurde Anschluss gefunden an die Entwicklungen einer modernen Berufsausbildung auf europäischem PISA-Standard. Ist die Verbannung des USB-Sticks in die Schreibtischschubladen eher zu belächeln, so verhält es sich mit der Zurückdrängung des Buches anders. Nach dem Kommunikationswissenschaftler Marshall McLuhan ist das Buch Wissensspeicher, die
Zeitschrift Diskussionsforum, die Zeitung das Medium zur Beobachtung des Augenblicks. Das Schulbuch braucht für die Entfernung von der Idee bis zum Weg in die Schulen
durchschnittlich fünf Jahre für Konzeption, Autorenschaft, redaktionelle Bearbeitung, Lektorat, Genehmigungsverfahren und Druck. Unter Berücksichtigung von KI erhalten
Schülerinnen und Schüler dagegen in „Echtzeit“ ohne zeitliche Verzögerung Informationen und ausformulierte Textangebote. Hinzu kommt, dass die Einordnung der generativen KI
ganz oben in der Trefferliste bei Google zu deutlich weniger Aufrufen der Treffer aus darunter gezeigten Quellen führt. Auch deren Qualität und Verlässlichkeit müsste
eingeordnet und im Kontext betrachtet werden. Das ist ebenso möglich wie das Ausschalten der KI-gestützten Suche bei Google. Dafür braucht es die pädagogische
Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern. Ohne sie werden Schüler in der Schule wie auch außerhalb den Informationen überlassen, die in aller Regel von interessen- und
marktorientierten Algorithmen generiert werden. Ohne Lektorats- und Redaktionsprozesse, die Zeit und Geld kosten. Ein Verzicht darauf dürfte aber
kostspieliger sein. Dieser Preis zeigt sich möglicherweise im Konflikt-, Konsum- und Wahlverhalten einiger Schülerinnen und Schüler. Ein Preis, den wir dann alle zahlen.
Meinungsäußerungen und Kritik gerne und jederzeit mündlich in der Schule oder an
haselhorst@wnb-herford.de
Juni 2025
Volker Haselhorst